Als ich meinen Vater bereits vor seinem Tod verloren hatte

Vatertag. Manche verbringen ihn glücklich gemeinsam mit ihrem Vater. Doch viele Väter sind bereits gestorben und manche Menschen haben ihre Beziehung zum Vater schon vor dem Tod verloren. Was das für einen bedeuten kann, weiß SeelenSport Trainerin Manu nur zu gut. Sie erzählt von ihrer Erfahrung und wie sie damit umgegangen ist. Falls auch du eine schwierige Beziehung zu deinem Vater hast oder er gestorben ist, ohne dich mit ihm versöhnen zu können, schenken dir Manus Zeilen vielleicht Kraft und Halt.

Wenn ich daran denke, wie ich als kleines Kind auf dem Fuß meines Vaters saß, mich an seinem Bein fest klammerte und ich so von Raum zu Raum kam, muss ich schmunzeln. Wenn ich daran denke, wie er mich durch die Luft fliegen ließ, muss ich lachen und ich spüre das Kribbeln im Bauch. Wir nannten es „Maikäfer“. Er hob mich am Rückenteil meiner Latzhose nach oben und ich flog eine kleine Runde.

Als ich älter wurde verging kaum ein Tag, an dem ich ihn nicht neckte. Irgendeine Verbindung musste ich immer herstellen. Ein Anstupsen mit dem Finger oder dem Fuß. Auch wenn ich es manchmal übertrieb, war da doch immer zumindest ein kleines Schmunzeln in seinem Gesicht.

Er war mein Notfallkontakt, wenn ich Probleme mit dem Auto hatte oder es in der Wohnung etwas zu werkeln gab, was ich allein nicht hinbekam. Dann sah ich ihm dabei zu, saugte jeden Handgriff auf, ließ mir von ihm erklären, wieso weshalb, warum das so oder anders sei, und probierte es das nächste Mal allein. 

Wir waren uns in vielen Punkten sehr ähnlich und dann auch wieder nicht. Wir konnten miteinander lachen und Spaß haben, wir konnten uns aber auch gegenseitig das Leben schwer machen, unnachgiebig sein, verletzend.

Den Vater verloren: Wir machten uns gegenseitig das Leben schwer

So war es in den letzten Jahren vor seinem plötzlichen Tod. Schon vor der Trennung meiner Eltern eckten wir immer öfter miteinander an. Wir fanden kaum noch einen gemeinsamen Nenner, bekamen beide nicht, was wir vom anderen erwarteten. Nach einem letzten Gespräch, in dem wir wieder einmal vehement auf unseren unterschiedlichen Standpunkten beharrten, zog ich mich zurück. Ich konnte das so nicht mehr. Ich weinte viel, war unendlich traurig, dass unsere Beziehung kaputt war. Ich sah zu der Zeit keine Chance, unsere Streitereien zu klären. 

Es tat mir mehr weh, in dieser kaum auszuhaltenden Situation zu verharren, als den Kontakt erst einmal abzubrechen. 

Mit dieser Entscheidung stellte ich mir die Frage, ob ich damit leben könne, sollten wir uns nie wiedersehen, nie aussprechen. Meine Antwort war: Ich weiß es nicht, aber ich sehe gerade keinen anderen Weg.

Natürlich hoffte ich in mir drin, dass wir eines Tages wieder zueinander finden, an unsere schöne Zeit anknüpfen und die blöden Jahre hinter uns lassen. Ja, ich dachte wohl auch, wir hätten noch ewig Zeit. Wie naiv.

„Vati ist gestorben!“

Anderthalb Jahre nach unserem letzten Gespräch erreichte mich an einem Montagmorgen die Nachricht von seinem Tod. Ich war im Büro, saß an meinem Schreibtisch, wollte gerade in den Tag starten. Mein Telefon klingelte und meine Mutti sagte: „Vati ist gestorben!“ Ich weiß nur noch, dass ich laut „NEIN!“ sagte und zitterte.

Irgendwie brachte ich den Arbeitstag hinter mich. Wahrscheinlich bekam ich nichts auf die Reihe. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht mehr. Ich saß an meinem Platz, war aber nicht da, mein Kopf dröhnte, mein Hals war zugeschnürt. Erst als ich am Nachmittag nach Hause kam, die Tür hinter mir geschlossen, sank ich auf den Boden und gab mich meinem Schmerz hin. Ich weinte heftig.

Alltag an – Gefühle aus

Auch die nächsten Wochen liefen so ab. Ich unterdrückte im Alltag meinen Schmerz, um mir ein Stück Normalität zu bewahren. Ich dachte, dass es mir hilft. Dass ich nur lange genug ausharren müsste, dann würde es schon besser werden.

Der Weg vom Büro in meine Wohnung schien jedes Mal unendlich lang und ich dachte oft, ich würde es nicht schaffen und vorher zusammenbrechen. Umso näher ich meiner Wohnung kam, umso größer wurde der Kloß in meinem Hals und umso heftiger der Druck in der Herzgegend – all die Gefühle, die sich tagsüber aufgestaut hatten, brodelten in mir und waren kurz vorm Überkochen. 

Erst als ich im sicheren Hafen meiner vier Wände ankam, ließ ich ihnen freien Lauf. Ich weinte, verkroch mich auf dem Sofa unter meiner Decke, starrte vor mich hin, blätterte Fotoalben durch, verlor mich in Erinnerungen und weinte und weinte und weinte. Alles tat mir weh. Ich wollte am liebsten einschlafen und erst wieder aufwachen, wenn die Schmerzen weg waren.

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Sport als Ventil

Ich wusste damals nicht wohin mit mir und meinen Gefühlen. Ich ließ die Trauer über mich ergehen oder versuchte vergebens, gegen sie anzukämpfen. Wenn ich hin und wieder etwas bessere Tage hatte, machte ich Sport. Den liebte ich doch so!

Ich schleppte mich ins Fitnessstudio. Anstatt aber wieder Kurse zu besuchen, powerte ich mich an den Geräten aus. Bloß mit niemandem reden, bloß nicht in Tränen ausbrechen. Ablenkung und Verdrängung durch Training. Oder aber ich setzte mich auf mein Rad und fuhr so lange, bis ich daheim angekommen nur noch unter die Dusche wollte und vor Erschöpfung einschlief. Kopf aus. Gefühle aus.

Der achtsame Weg

Monate nachdem mein Vater gestorben war, fing ich an, mich für Persönlichkeitsentwicklung und Achtsamkeit zu interessieren. Der Impuls kam gar nicht vorrangig aus meiner Trauer heraus, sondern aus dem Wunsch, in mir aufzuräumen. In einer Therapie Jahre zuvor legte ich schon den Grundstein dafür, kam dann aber wieder vom Weg ab. Nun war es an der Zeit, daran anzuknüpfen.

Ich beschäftigte mich mit meinen Gedanken, spürte in mich hinein, lernte Entspannungstechniken und fand so den Zugang zu meinen Gefühlen. Was immer so abstrakt klingt, heißt für mich konkret: Meine Gefühle machen mir keine Angst mehr. Ich kann sie lesen und den körperlichen Reaktionen, die sie auslösen, zuordnen. Erst dadurch gelang es mir, meine Trauer anzunehmen, ihr bewusst Raum zu geben und nun als Teil von mir zu betrachten.

Heute unterstütze ich Trauernde

Im Sommer 2020 las ich Katys Buch „Larissas Vermächtnis“. Auf den letzten Seiten schreibt sie darin über den SeelenSport®. „Das ist es!“, dachte ich. Gefühle mit Bewegungen verbinden! Meine zwei inzwischen liebsten Themen in einem Konzept. Keine zehn Minuten später war meine Anmeldung zur Ausbildung geschickt. Und inzwischen bin ich selbst SeelenSport®-Trainerin

Ich bin stolz auf meinen Weg und habe viel gelernt. Allem voran: 

Trauer geht nicht einfach so vorbei. Sie beansprucht ihren Raum, ob ich will oder nicht!

Seelensport Manuela Heinze

Manu ist seit Februar 2021 als SeelenSport® Trainerin tätig. Ihre Kontaktdaten und ihr Profil findest du hier.

Gastbeitrag SeelenSport Trainerin Manuela Heinze

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