Larissa lachte fast immer und überall, und das aus vollstem Herzen. Sie war meine Lachverbündete und ich liebte unsere oft stundenlangen „Lachflashs“, wie wir sie nannten.  Nach ihrem Tod hatte ich Angst nie wieder sowas erleben zu dürfen, nie wieder so herzlich lachen zu können.  Doch dann passierte es, das erste Lachen geschah. Es fühlte sich befremdlich an und im selben Moment war ich einfach nur dankbar. Kannst du dich noch an dein erstes Lachen nach dem Verlust erinnern? Warst du vielleicht auch verwirrt, hast ein schlechtes Gewissen bekommen und dir gesagt, dass du jetzt doch nicht lachen darfst? Passierte dir auch manchmal, dass sich Weinen und Lachen miteinander abwechselten und du noch verwirrter warst? Oder kennst du diese Momente, wenn der Schmerz so derart groß ist, dass du ihn lieber lauthals wegzulachen versuchst? Weißt du was? Alles ist ok und darf sein. Denn Lachen gehört genauso zur Trauerverarbeitung, wie auch das Weinen. Warum wir uns aber trotzdem schlecht oder seltsam fühlen, wenn wir in der Trauer lachen und was die Gesellschaft hier für einen Einfluss nimmt, erkläre ich dir folgend.

Lachen in der Trauer

Als die Mutter eines guten Freundes starb, rief er mich an und fragte mich verunsichert um Rat: „Ich fühle mich ständig so seltsam und kann das alles noch gar nicht realisieren. Aber ganz besonders seltsam finde ich, wenn ich dann plötzlich mit meinem Vater zusammen bin und wir auch einmal lachen müssen. Irgendwie fühlt sich das falsch an und ich fühle mich schlecht dabei. Ich müsste jetzt doch weinen und nicht lachen, oder?“

Unsere Vorstellung von Trauer hat sich anhand veralteter Trauerforschung und zunehmender Tabuisierung der Trauer in eine Richtung entwickelt, die nur wenig mit der Realität gemein hat. Wenn wir als Trauernde kurz nach einem Verlust irgendwo lachend gesehen werden, gehen viele davon aus, dass dies bedenkliche Verhaltensweisen seien. Man erntet vorwurfsvolle Blicke, die Botschaften wie „du trauerst ja gar nicht richtig, wenn du jetzt schon lachst“ beinhalten. Menschen, die selbst diese tiefe Trauer noch nicht spürten, sind oft der Überzeugung, dass ein ständiges Weinen zu trauern bedeutet. Das ist zum Glück ein Mythos. Durch diese Auffassung nehmen wir aber selbst als Trauernde an, etwas stimme nicht mit uns, wenn wir in unserer noch frischen Trauer lachen müssen. Dieses Wechselbad der Gefühle, das einer Achterbahnfahrt gleicht, verwirrt uns als Trauernde selbstverständlich. Oft verbieten sich Trauernde dann selbst zu lachen, weil sie das Gefühl haben, es dem Verstorbenen schuldig zu sein. In der Art wie: „Wenn jener nicht mehr lachen kann, dann darf ich selbst auch nicht mehr lachen.“ Oder eben aufgrund der gesellschaftlichen Richtlinien, an die sie sich zu halten versuchen.

Trauer hat jedoch viele verschiedene Gesichter und eines ist das lachende Gesicht.

lachen trauer

Auch für meine Familie und mich war der stetige, heftige Wechsel zwischen Lachen und Weinen ein seltsames Gefühl. An eine Situation kann ich mich noch besonders gut erinnern. Sie verdeutlicht dieses Extrem. Vielleicht kennst auch du solche Situationen? Noch vor der Beerdigung meiner Schwester standen meine Familie und ich eines Abends vor einem Lichtermeer an Kerzen. In der Mitte stand ein Foto mit Larissas strahlendem Lächeln darauf. Schluchzend betrachteten wir ihr Bild und mussten plötzlich feststellen, dass sie in unserer Familie eigentlich die einzige mit wunderschönen weißen geraden Zähnen war. Diese kleine Feststellung löste ein herzliches Lachen in uns aus, das dann anschließend wieder in Weinen überging. Um uns herum waren viele Menschen, aber in diesem Moment war uns das einfach egal. Weil es hat sich gut und lebendig angefühlt. Und es hat uns gezeigt, dass diese Möglichkeit besteht, wieder lachen zu können, auch wenn dies nur für einen Bruchteil einer Minute geschah. Und genau darum geht es.

Wenn solch ein Lachen auf natürliche Weise in uns hervorgekrochen kommt und eine Minute an Lebendigkeit und Normalität in dieser schmerzvollen Zeit schenkt, dann kann es doch nichts Schlechtes oder Falsches sein.

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Diese kurzen Lachmomente sind sogar notwendig. Innerlich sehnst du dich so sehr nach Normalität, nach Leichtigkeit, nach einem Leben ohne den Schmerz. Dann gönn dir diese Minute und lach aus vollstem Herzen. Denn die nächsten Tränen werden wieder kommen und fließen. Außerdem würde dein Körper womöglich zugrunde gehen, wenn er nur den Schmerz und die Traurigkeit 24 stundenlang aushalten müsste. Da schützt sich dein Körper damit und schenkt ihm, auch wenn es manchmal nur Minuten sind, eine kleine Kraft schöpfende Auszeit. Ich betrachte jedes Lachen als ein Geschenk und ich habe mein ganzes Leben gerne und viel gelacht. Lachen verbindet und macht glücklich, umso härter ist, dann dieses Unverständnis der Gesellschaft spüren zu müssen. Unsere Trauerkultur sieht eben nur eine gewisse Anteilnahme vor, da bleibt nur wenig Platz fürs Lachen auf der einen und verzweifelte Traurigkeit auf der anderen Seite.

Ja, du liest richtig, nicht nur unser Weinen überfordert das Gegenüber, sondern auch unsere Heiterkeit in der Trauer.

Es scheint, als solle man sich ruhig und unauffällig verhalten und einfach funktionieren. Alles andere überfordert oder wird nicht gerne gesehen. Weil sie es nicht verstehen und nachempfinden können. Wie ich im Interview bei der Tiroler Tageszeitung sagte, dass ich mich fürs Lachen ja auch nicht entschuldigen muss, so hat man anfangs als Trauernder das Gefühl sich genau dafür entschuldigen zu müssen. Wenig Zeit später nehmen wir unseren Alltag wieder auf und beginnen öffentlich ab und an wieder zu lachen und erscheinen fröhlich. Dadurch nehmen viele Menschen an, dass die Trauer hiermit erledigt sei und du nun wieder voll und ganz einsatzbereit bist. Das ist dann der Punkt, an dem du dich wieder beginnen solltest fürs Weinen zu entschuldigen. Eine konfuse Gesellschaft, sind wir doch alle nur Menschen, die weinen und lachen gleichermaßen.

Was du für dich tun kannst?

Du kannst von heute auf morgen die Gesellschaft nicht ändern. Aber du kannst dir selbst treu bleiben und zu deinem Lachen stehen. Denn es ist DEIN Leben, DEIN Schmerz, DEINE Trauer und nicht deren. Lass dir dein Lachen von der Gesellschaft nicht nehmen! Du und ich, wir wissen beide, dass es sich ohnehin wie ein Wunder anfühlt wieder lachen zu können.  Wo wären wir,  wenn wir uns auch noch das letzte Lächeln nehmen lassen, nur weil sie keine Ahnung haben.

Deine Schmerzen weg lachen

Die seltsamste Art des Lachens, die ich auf meinem Trauerweg erfahren durfte, war das Lachen, welches eine Art Zusammenbruch abfängt. Nicht einfach zu erklären, aber es wird dir vielleicht bekannt vorkommen:

Hast du auch diese Tage, an denen du derart überschwänglich lachen musst und ein Lachanfall nach dem anderen folgt? Obwohl sich dein Herz eigentlich ständig verkrampft und dir eher zu weinen wäre. Der Schmerz sitzt an jenen Tagen besonders stark und ist kaum aushaltbar. Weil du aber funktionieren und arbeiten musst, beschließt dein Körper alles raus zu lachen, anstatt zusammen zu brechen.  Über alles und jeden reagierst du mit einem krampfhaften Lachanfall und kannst kaum noch aufhören. Das Lachen fühlt sich an, als balanciere es auf einem dünnen Seil. Würde es kippen, bräche ein irres Gefühlschaos aus, das in schrecklichen Heulkrämpfen enden würde. Dieses eigensinnige Lachen rettet dich vor solchen Heulattacken. Ich habe das Gefühl, es hält meinen Körper eine gewisse Zeit funktionstüchtig und meine Gefühle in Zaun. Und dann, sobald du alleine bist, kommt alles hoch und platzt förmlich aus dir heraus. Diese Phasen geben mir das Gefühl vom Lachen gerettet zu werden. Manchmal ist es wahrscheinlich gut und notwendig, sich davon retten zu lassen. Solange du dann noch genug Aufmerksamkeit auf deine eigentlichen Gefühle lenkst und diese auch gezielt in Angriff nimmst. Wenn du dich also dabei ertappst ständig derart seltsam lachen zu müssen, frag dich, ob da jetzt nicht doch mehr dahinter steckt. Mit der Zeit wirst du ein Gespür dafür entwickeln. Und dann nimm dir bewusst die Zeit für deine Trauer, für deine Tränen aber auch für dein Lachen!

Beitragsbild: Larissa und ich <3


Obwohl ich das gemeinsame Lachen mit meiner Schwester Larissa jeden Tag sehr vermisse, bin ich unglaublich dankbar, dass ich wieder die Fähigkeit besitze aus vollstem Herzen zu lachen und hoffe auch, dass du wieder lachen kannst!

Erzähl mir von deiner Erfahrung mit dem Lachen in der Trauer!