wut trauer

Kommt dir das Gefühl bekannt vor, wenn sich brennende Hitze in deiner Brustgegend ausbreitet, deine Zähne aneinander zu reiben beginnen, sich deine Hände unbemerkt zu Fäusten bilden und du wirklich das Gefühl hast aus allen Öffnungen zu dampfen? Der Hulk in dir will raus, sprich die Wut kocht. Sie ist die Schwester der Trauer und wird dir nach einem Verlust genauso oft begegnen, wie die Traurigkeit selbst. Wir kennen sie bereits schon vorher, wenn uns Kleinigkeiten (Autofahren, du hast etwas vergessen, du bist spät dran…) zornig machen und wir uns ärgern. Diese Wut kommt und geht schnell wieder, sobald sich die Situation aufgelöst hat. Hast du allerdings etwas für immer verloren, bleibt sie. Und sie kann wachsen, sich in Aggressionen und dauerhaften Frust wandeln und deinen Körper vergiften. Und manchmal leider auch in Gewalt enden. Damit das nicht passiert, solltest du sie auf gesunde Art und Weise abbauen. Hier zeige ich dir ein paar gute Strategien.

Wut – gegen wen oder was?

Als ich zu Beginn noch im Schockzustand war und erst einmal realisieren musste, was meiner Schwester wirklich angetan wurde, überwogen solange die Traurigkeit und der Schmerz. Wochen später dann bemerkte ich immer mehr, wie schnell ich auf die kleinsten Aussagen mit enormer Wut reagierte. Ich spürte permanent den Drang in mir lauthals jeden Einzelnen anzubrüllen, an manchen Tagen stellte ich mir weitaus Schlimmeres vor.

Wenn ich beim Spaziergang durch die Stadt auf viele lachende Menschen traf, löste dies Aggressionen in mir aus und ich wollte jeden einfach nur schlagen. Ich war wütend, dass diese Menschen lachen konnten und mein Schicksal nicht tragen mussten. Ich vergönnte niemandem Glück und Freude. Mich zerfraß der Neid auf das Leben der anderen. In meinen Augen sah ich nur meinen Schmerz und fühlte mich alleine und im Stich gelassen. Deshalb habe ich Spaziergänge durch die Stadt weitgehend vermieden.

Diese Spirale ging weiter, indem ich dann auf mich, mein eigenes Leben und sogar Zorn gegen meine Schwester Larissa hatte. Warum musste gerade mein Leben so sein? Warum musste sie gerade ihn treffen? Warum konnte ich es bloß nicht verhindern?

Und dann war da noch diese unaussprechliche intensive, fast nicht auszuhaltende Wut. Die Wut gegen den Mörder.

In meinen Träumen habe ich mir versucht vorzustellen, was ich ihm alles antun wollte. Doch in der Realität habe ich ihn seit der Tat nie gesehen. Er stand nicht vor mir und ich konnte diese Wut nicht an ihm auslassen. Heute bin ich fest davon überzeugt, dass es gut war meine Wut nicht gegen ihn anwenden zu können. Es hätte mir den Schmerz nicht genommen und mich in meiner charakterlichen Entwicklung geschwächt und behindert. Gewalt soll nicht durch Gewalt gelöst werden. Oder wie der Schriftsteller Friedrich Schiller bereits sagte: „Schrecklich immer / auch in gerechter Sache, ist Gewalt.“

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Ich suchte mir also unbewusst einen Ersatz. Die Wut gegen ihn verlagerte sich auf alle männlichen Wesen, die irgendetwas mit ihm gemein hatten: Alter, Haarschnitt, Wortwahl, Kleidungsstil. Wenn ich auf eine Ähnlichkeit traf, sah ich sofort ihn vor meinen Augen. Ich fühlte mich, als würde ich innerlich explodieren. In diesen Situationen war ich über mich selbst und meine Gedanken erschrocken. „Das bist nicht du Katrin, was ist nur los mit dir?“. Ich war immer ein Menschenfreund, ein Philanthrop wie man so schön sagt. Hilfsbereit und offen. Und dann plötzlich nur noch Wut gegen all diese unschuldigen Männer. So wollte ich nicht sein, so wollte ich nicht bleiben.

Bevor ich jemandem damit ernsthaft weh tun konnte, begann ich die Wut nach innen zu richten. Entweder unterdrückte ich sie mit all meiner Kraft oder ich versuchte sie im Alkohol zu ertrinken. Beides hatte das Ergebnis, dass sie noch mehr hervorkam und das mit einer noch größeren Wucht.

Kommen dir manche Situationen und Gedankengänge bekannt vor?

In deinem Fall ist vielleicht nicht ein Täter der Wutauslösende. Vielleicht ein anderer Lenker, nach einem Unfall? Etwas Materielles, das einen Unfall verursachte? Oder eine Krankheit, die deinen geliebten Menschen sterben ließ? Ist es die Affäre, die dir deinen Partner „klaute“? Die Wirtschaft, der Staat, warum du deinen Job aufgeben musstest? Oder bist du sogar wütend auf Gott und das Schicksal oder den Toten selbst, weil er sein Ableben selbst bestimmt hat?

Egal gegen wen sich deine unbändige Wut richtet, eines ist sicher: Du wirst sie mit großer Wahrscheinlichkeit nie dort loswerden und dort abliefern können.

Und sogar wenn, wird sie dich nicht weniger wütend oder zufrieden machen, denn der Schmerz wird dennoch bleiben. Und weil du sie eben dort nicht loswerden kannst, richtest du sie gegen dich. Sie kommt in Form von emotionalem Essen, Alkohol- und Drogenmissbrauch, Selbstverletzung und oft genug auch in Gewaltausbrüchen gegen Dritte. Die stille, leise Komponente, in der sich deine unterdrückte Wut zeigt sind die körperlichen Folgen, wie diverse psychosomatische Störungen und Krankheiten, Entzündungen und Allergien, die sich mit den Jahren entwickeln können.  Sie wird dir langsam dein Herz verbrennen und dich auf Dauer zu einem unglücklichen frustrierten Menschen machen, wenn du an ihr festhältst.

An Ärger festhalten ist wie wenn du ein glühendes Stück
Kohle festhältst mit der Absicht, es nach jemandem zu werfen – derjenige, der sich dabei verbrennt, bist du selbst.

(Buddha)

Und deshalb rate ich dir, der Wut genau so viel Beachtung zu schenken, wie auch deiner Traurigkeit, deinen Ängsten, deinen Schuldgefühlen, und deinem Schmerz. Und sie vorsorglich und fürsorglich nach außen zu lassen.

Wie du deine Wut raus lassen kannst

Mit der Traurigkeit und den Tränen können die meisten Menschen nur sehr schwer umgehen. Mit der Wut ist es manchmal sogar noch schlimmer. Die meisten macht Wut Angst, was absolut verständlich ist und auch mir geht es da nicht viel anders.

Aber: Gefühle wollen gefühlt werden, so auch die Wut. Damit wir unsere Gesellschaft mit der Wut nicht einschüchtern und du deinen Körper aber nicht vergiftest, sollen dir folgende Tipps helfen diese schonend abzubauen!

Nenne sie beim Namen und sprich darüber

Vielleicht geht es dir wie mir und du glaubst selbst kaum, welch böswillige Gedanken dir im Kopf herum schwirren. Das macht dir Angst und deshalb erzählst du auch niemandem davon. Vollkommen verständlich. Menschen, die vielleicht noch keine derart große Wut in ihrem Leben verspürten, kennen solche Gedanken nicht und stempeln uns schnell selbst als Psychopathen oder krank ab. Doch sind diese Gedanken, gerade in der Anfangszeit vollkommen normal. Wenn du wirklich niemanden in deiner Nähe haben solltest, der mit den Gefühlen und deren Ausdruck in Worten umzugehen weiß, dann empfehle ich dir an dieser Stelle dich an Trauerbegleiter oder Psychotherapeuten zu wenden. Sie halten es aus und arbeiten hier professionell. Ihnen kannst du alles anvertrauen und dein wutvergiftetes Herz voll und ganz ausschütten. Ich selbst habe diese Gespräche lange Zeit in Anspruch genommen und mich nach jedem einzelnen leichter gefühlt.

Schreibe sie dir von der Seele

Verfasse einen Brief, oder zwei oder drei. An die Person, die Sache an die sich die Wut richtet. Ich habe einen Brief an den Mörder verfasst und all die Worte und Gedanken, die sich so sehr in mein Herz brannten, auf diese Weise loslassen können.  Ich habe gezittert und geweint, als ich ihn schrieb und musste auch immer wieder Pausen einlegen, aber am Ende fühlte ich mich leichter.  Die Aggressionen gegen ihn ließen nach und ich konnte mit der Wut gegen ihn besser umgehen.  Du kannst den Brief aufbewahren oder verbrennen, ihn zerreißen oder in einen Fluss schmeißen. Was auch immer für dich passend ist.

Zusätzlich habe ich eine Art Tagebuch geschrieben. Ich nenne es Larissa Buch, wo ich all die anderen Gefühle und auch die Wut gegen das Schicksal und das Leben nieder schrieb. Dadurch konnte ich wieder mit leichterem Herzen anderen Menschen begegnen, ohne groß Neid und Hass zu verspüren.

Atme dich in die Ruhe

Nicht mein Favorit, aber manche Situationen lassen andere Möglichkeiten gerade nicht zu. Wenn du zum Bespiel nichts zum Schreiben hast oder diese gerade nicht raus schreien kannst, beginne einmal ganz tief in den Bauch einzuatmen und halte den Atem kurz an. Zähle zb. von 5 abwärts bis 0 und lass die Luft langsam wieder nach draußen.  Wiederhole den Vorgang ein paar Mal, bis du merkst, dass sich dein Herzschlag verlangsamt und du ruhiger bist.

Schrei sie dir aus dem Herzen

Wenn du wütend bist, wird deine Stimme automatisch lauter und du verspürst den Drang zu schreien. Damit du hierbei niemanden in Angst und Panik versetzt, solltest du das Rausschreien an einen ruhigen, menschenleeren Ort verlegen. Ein Wald bietet sich hier beispielsweise an oder weit oben auf den Bergen (nicht gerad direkt auf der Alm natürlich). Lass dich von jemandem begleiten, der es aushält und dich auffangen kann. Und dann versuche einfach alles raus zu schreien, nicht nur in Form von Tönen, sondern auch Worten. Und wenn diese noch so schlimm sind! Dabei solltest du beachten, dass sich durch das Schreien auch dein Schmerz beginnt zu lösen. Das kann dann natürlich sehr fest weh tun und du wirst ziemlich sicher am Ende weinend in den Boden sinken. Aber auch ein bisschen leichter ums Herz sein.

Bewege deine Wut nach außen

Ausgewählte Bewegungen können dir die Anspannung nehmen und deinen Kopf frei machen. Deine Aggressionen können den Körper wortwörtlich verlassen. Übungen, die besonders komplex sind und dich aus der Puste bringen eignen sich hierfür am Besten. Viele sagen oft, dass auch Boxen und Kampfsport helfen Wut und Aggressionen loszulassen. An dieser Stelle sage ich Jein. Manchmal, wenn die Wut wirklich überdimensional groß ist und sie besonders beim Schlagen auf eine Sache oder gegen einen anderen Kämpfer zum Vorschein kommt, kann dich das aus der Fassung bringen. Dies kann zur Folge haben, dass du keine Kontrolle mehr hast und blind und aggressiv gegen dein Gegenüber vorgehst, ohne dass du es möchtest.

Ich habe mich oft mit Hilfe meines Freundes an die Methoden des Wutabbaus herangetastet. Dabei habe ich zb. beim Kampf mit einem Stock gegen meinen Freund (dieser hatte auch einen Stock), erkannt, dass sich sehr viel Wut in mir ausbreitete und ich plötzlich nur noch den Mörder vor mir sah. Dadurch begann ich mit voller Wucht gegen ihn einzudreschen. Ohne Kontrolle und Vernunft. Dasselbe passierte beim Boxen in den Polster, den mein Freund festhielt. Ich sah nur noch das Gesicht des Täters und nicht mehr meinen Freund (keine Angst, ihm geht es gut, er kann gut damit umgehen und weiß mich aus der Situation zurück zu holen).

Diese Methode sehe ich deshalb als kritisch und zu gefährlich an. Wenn, dann kann sie mit einem professionellen Boxer verwendet werden. Dieser sollte dennoch aber davor eingeweiht werden. Weil ich finde, dass diese Art des Abbaus eher zu mehr Aggression führt und den Drang zur Gewalt verstärken kann, rate ich hier nicht direkt gegen jemanden zu kämpfen.

Stattdessen habe ich Übungen gefunden, welche die Wut in die Leere lassen oder in Form von „Zerstörung“ einer Sache abbauen.  Natürlich gilt das nicht für jeden gleich und ein anderer kann seine Wut sehr wohl im Kampfsport abbauen.

Im folgenden Video zeige ich dir 5 Übungen und Bewegungsabläufe aus unterschiedlichen Sportarten, die mir vor allem in der Anfangszeit der trauer geholfen haben.

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